Auf der wichtigen italienischen online Zeitung "Sussidiario.net" vom 13. Januar 2013 greift Robi Ronza, Experte für Internationale Fragen und alpiner Kultur, das Thema der Rückkehr der grossen Raubtiere in die Alpen auf. "Man muss hoffen, dass die Frage der Rückkehr des Bären und des Wolf der Öffentlichkeit hilft, endlich die Alpen und Berge als primäre Ressource neu zu entdecken und als solche, besonders in Zeiten der Krise, nicht zu verschwenden." Wir veröffentlichen die Übersetzung für die deutschsprachigen Freunde in den Alpen.
J'accuse/ Gegen die Bergwelt
bestehen zurzeit “Machenschaften“
zwischenWölfen, Bären und
Umweltschützer.
von Robi Ronza
(14.01.13) Seiteinigen Jahren wird erkannt, dass die Bergwelt von der Allgemeinheit, nicht nur als Tummelplatz und Traumwelt für die Stadtbewohner angesehen ist, sondern entpuppt sich neu als ansehnliche Ressource des Landes. Die beunruhigende Ausbreitung von Bären und Wölfe außerhalb der Nationalparks und andere Territorien, wo sie bis anhin lebten, lässt Bedenken aufwachen.
Aus der aktuellen Wirtschaftskrise erkennt man die Notwendigkeit einer sorgfältigen Nutzbarmachung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen: eine Notwendigkeit, die für eine ausgewogenere und auch effektivere Nutzung des gesamten Territoriums in Verbindung steht. In diesem Sinne besteht in Italien die Dringlichkeit zur Wiederentdeckung der Bergwelt als Gegend für andauernden Wohnraum. In einem Land wo 72% des Territoriums aus Hügeln- und Berglandschaften besteht, die Konzentration der Bevölkerung, der Industrie und der Wirtschaftstätigkeiten in der Ebene, hat heute ein untragbares Mass erreicht. In der Lombardei zum Beispiel, ist 40.5% des Territoriums gebirgig, aber weniger als 10% der Bevölkerung wohnt und arbeitet hier. Die Wirtschaft und die postindustrielle Errungenschaften könnten heute bei dieser Unausgewogenheit in der Nutzung des Territoriums Abhilfe schaffen. Eine Steinzeitmentalität stimuliert und fördert aber das Verwildern des Hochlandes.
Die wahllose Anwendung von Gesetzgebende- und Verwaltungsmodelle, hat einen abartigen und perversen Effekt auf die Berggebiete, welche zur Aufgabe der Weiden und Alpwirtschaft gedrängt werden und nicht zuletzt zur Bestrafung der Hochlandökonomie führt. Dies alles mit dem Hintergedanke das Hochland dem Wildnis und den Grossraubtieren zurückzugeben. Langfristig, sowohl auf die sozio-ökonomische wie auf die ökologische Ebene, wird diese Politik das Verlassen des Hochlandes und die Bildung einer Wüstenlandschaft zur Folge haben. Die Talsohlen werden somit zu überbelasteten, zerbrechlichen und entfernten Vororte von Grossstädten.
Im Gegensatz zum alten anti - humanistischen Umweltschutz, welchen bei gewissen Kreisen noch grosse nicht verdiente Reverenz geniesst, Mensch und Umwelt stehen nicht von Natur aus gegeneinander. Der Mensch ist hier die einzige bewusste Präsenz und somit ist auch aufgerufen Verantwortung zu übernehmen. Durch alle vorhandenen positiven moralischen, kulturellen, wissenschaftlichen und technischen Ressourcen die zur Verfügung stehen, muss der Mensch nun mehr Engagement in seiner Gegenwart gegenüber der Natur zeigen.
Eine neue Generation Bergbevölkerung mobilisiert sich mit dem Gedanken, dass das Hochland eine wieder zu entdeckende Ressource ist, auch im Glauben an die Fähigkeit der Selbstverwaltung von denen die dort leben und arbeiten.
Ein sehr interessantes Ergebnis dieser Mobilisierung ist ein Planungs-Dokument mit der Bezeichnung "Fünf Punkte für die Wiederentdeckung des Hochlandes als Ressource für sich selbst und für das ganze Land", die am 16. Juni in Sondrio am Ende eines Workshops, von den „Quaderni valtellinesi“ , dem Blog „Ruralpini“ und dem Verein „Incontri tramontani“ gefordert wurde.
Hier sind die fünf Punkte in ihrer Gesamtheit:
1. In Italien sind 72% des Landes Berg- oder Hügellandschaft. Das Hochland ist daher die Regel und nicht die Ausnahme. Deshalb ist das Neuentdecken dieser Ressource eine Voraussetzung für die Entspannung der Wirtschaft und der Gesellschaft unseres Landes.
2. Das Hochland, um gewinnbringend zu machen, benötigt keine Unterstützung, sondern die Wiedererlangung des Rechtes, die Ressourcen selbst zu verwalten.
3. Als erste Ressource gilt die kulturelle Identität, dass jede Generation wiedererlangen und anpassen muss: die Sprache, die Geschichte, die Erfahrungen, um zu erkennen, dass das Hochland grössere Eigenständigkeiten und Autonomien benötigt.
4.Das Hochland hat großartige Ressourcen: Das Wasser und die Produktion von sauberer Energie, das Holz, die grünen fruchtbaren Landschaften, die Fähigkeit Köstigung höherer Qualität zu produzieren, die Lebensqualität als Ressource für diejenigen die dort leben, aber nicht zuletzt auch Komfort für Feriengäste und Touristen. Um diese Ressourcen konsequent nutzen zu können, muss die Verantwortung und den Genuss derselben, welche früher entzogen wurden, wiedererlangen.
5. Das Hochland braucht keine speziellen Rechtsvorschriften oder Ausnahmen gegenüber dem „normalen“ Gesetz, welches die Ballungsräume umfasst. Es muss aber das Recht auf Prüfung der Regelungen bestehen, falls die Vorschriften zum Nachteil derjenigen sind, die auf dem Hochland leben und arbeiten.
Seit ein paar Jahren ist eine auffällige neue Situation eingetreten, welche eine stabile Existenz des Menschen im Berggebiet im Vordergrund bringen will. Es handelt sich um die besorgniserregender Verbreitung von Wölfen und Bären, ausserhalb der Nationalparken oder andere Gebiete in welchen sie leben sollten. Diese Raubtiere, welche bis heute durch internationale Konventionen als unantastbar eingestuft sind (zum Schutz des Wolfes wurde die Konvention im September 1979 in Bern unterzeichnet), können zurzeit aber nicht mehr als aussterbende Tierarten klassifiziert werden. Diese Raubtiere riskieren nicht mehr auszusterben, könnten aber die Schafszucht und die Alpwirtschaft, sowie die Lebensmöglichkeit der oberen Bergbewohner auslöschen. In bestimmten Regionen kommen die Wölfe schon heute bis vor den Haustüren. Vor einigen Monaten ist ein Bär sogar durch die Stadt Tirano im Veltlin spaziert.
Die Reaktion der Raubtierverteidiger, um Wolf und Bär zu schützen, nach den Protesten von Hirten und Bergbauern, liegt im Angebot von Entschädigungen für die Nutztierverluste. Weiter wird beantragt, Schäferhunde die speziell geschult sind einzusetzen, um die Nutztiere vor den Raubtieren abzuschirmen. Die Hirten allerdings laden die grünen Aktivisten ein, einige Nächte in einer Berghütte zu verbringen, um sich vom heulen der Wölfe amüsieren zu lassen oder bei Dunkelheit nach aussen zu gehen, um die Schafe mit gewaltfreie Abschreckung zu verteidigen.
In Wirklichkeit der Wolf ist nicht der sympathische Wolf Alberto und auch nicht der Spassvogel Yogibär. Die Anzahl Bären ist nun von 10 auf 45 Einheiten gestiegen. Es sind zu viele Raubtiere in einem zu kleinen und stark besiedelten Territorium. Die Menschen leben in Angst, bei einem anhaltend und unhaltbaren Zustand. Der Präsident der autonomen Provinz Trento, schrieb letztes Jahr dem italienischen Minister für die Umwelt Corrado Clini und dem EU-Kommissar Janez Potoćnik mit dem Hinweis, sie sollen eine endgültige Lösung für die Präsenz des Bärs im Trentino finden. Die ganze Angelegenheit, 16 Jahren nach der Aktivierung des Projektes „Life ursus“ zur Wiedereinführung des Bärs in den zentral-östlichen Alpen ist Ausserkontrolle geraten. In gewissen Regionen erreicht die Bärendichte 3 Einheiten pro 100 qkm und verursacht stets den menschlichen Aktivitäten grosse Probleme. Es wird auch über direkte Begegnungen zwischen Mensch und Bär berichtet, was den hohen sozialen Alarm erhöht. Zwischen 2003 und 2011, laut einer Umfrage in Bezug auf die Akzeptanz des Bärs im Trentino, wo die Bären nicht auf Cartoons sondern fassbar vor der Haustüre stehen, sank von 76% auf 30%. Ähnliche Reaktionen werden in den französischen Alpen festgestellt. Die Schweiz hat schon bekannt gegeben, in Bezug auf die Berner Konvention, Änderungen beantragen zu wollen. In Valposchiavo (Südbünden) ist bereits ein Kollegium gegen die Präsenz des Bärs in der Gegend, ins Leben gerufen worden. Es ist zu hoffen, dass der Fall Raubtiere, allen Bürger dient, das Hochland als primärer und nicht zu vergeudenden Ressource neu zu entdecken. Ferner soll man sich auch nicht von der säkularen städtischen Elite beeinflussen lassen, welche die Raubtiere vergöttern, um die Unantastbarkeit zu rechtfertigen.